Wenn wir tanzen, bewegt sich nicht nur unser Körper – auch unser Gleichgewicht, unsere Wahrnehmung und unser Zusammenspiel mit dem Partner verändern sich. Eine der zentralen Grundlagen für all das ist die Achse. Doch was genau ist damit gemeint – und warum spielt sie im Tango eine so entscheidende Rolle?
Die Körperachse – Dein innerer Lotstab
Im körperlichen Sinn bezeichnet die Achse eine gedachte Linie, die unseren Körper senkrecht von Kopf bis Fuß durchzieht – vergleichbar mit einem Lot, das uns Stabilität und Orientierung gibt. In der Tanztechnik geht es darum, diese Achse bewusst wahrzunehmen, auszurichten und im Bewegungsfluss zu halten.
Dabei ist der Körper nicht eindimensional, sondern verfügt über mehrere funktionale Achsen, die im Tanz zusammenspielen müssen:
- die vertikale Hauptachse: die Wirbelsäule, die uns aufrichtet und zentriert.
- die Standbeinachse: die Linie zwischen Schulter und tragendem Bein – entscheidend für Stabilität in Bewegung.
- die Spielbeinachse (bzw. die freie Seite): die Gegenseite, die Bewegungsfreiheit braucht, aber dennoch mit dem Gesamtsystem in Verbindung steht.
- Ein harmonisches Zusammenspiel dieser Achsen schafft Balance, Eleganz und Bewegungsfluss. Wer gut auf seiner Achse steht, tanzt nicht nur schöner – sondern vor allem effizienter, stabiler und freier.

Biomechanisch gesehen bedeutet das:
- Die Gelenke (vor allem Sprunggelenke, Knie, Hüften und Wirbelsäule) sind im Gleichgewicht zueinander organisiert.
- Die Muskulatur arbeitet funktional – also nicht mit Kraft gegen sich selbst, sondern im Zusammenspiel.
- Die Schwerkraft wird nicht bekämpft, sondern genutzt.
- Die Paarachse – Verbindung mit Verantwortung
Im Tango tanzen wir zu zweit – und das bringt eine zweite Dimension der Achse ins Spiel: die gemeinsame Achse im Paar.
Diese entsteht, wenn beide Partner*innen nicht nur gut auf ihrer eigenen Achse stehen, sondern auch bewusst Verbindung zueinander aufnehmen. Dabei gibt es zwei grundsätzliche Zustände:
Tanz auf zwei Achsen – jede*r steht auf der eigenen Achse, es gibt Verbindung, aber auch Eigenständigkeit.
Tanz auf einer gemeinsamen Achse – oft in engen Umarmungen oder in bestimmten Figuren: Hier wird eine temporäre gemeinsame Achse gebildet. Beide Körper richten sich aufeinander aus und stützen sich wechselseitig.
Das erfordert Sensibilität, Präsenz und körperliches Zuhören. Wer zu stark drückt oder hängt, bringt die Balance des anderen ins Wanken. Wer seine eigene Achse hält, ermöglicht dem Gegenüber Freiheit.
Training für die Achse – von innen nach außen
Eine gute Achse ist kein Zufallsprodukt – sie ist das Ergebnis von bewusstem Körpertraining. In unseren Kursen und Technikstunden arbeiten wir gezielt an:
- Aufrichtung und Erdung
- Gelenkorganisation und Mobilität
- Körperwahrnehmung (Propriozeption)
- Zentrierung von Bewegungen um die eigene Mitte
- Klarheit im Gewichtwechsel
- Koordination der drei Achsen im Tanz
- Diese Arbeit ist nicht nur technisch wertvoll – sie schafft auch ein neues Körpergefühl, mehr Präsenz und ein feineres Gespür für den Partner, die Musik und sich selbst.

Fazit: Deine Achsen sind Dein Anker
Im Tango lernen wir, uns selbst zu tragen – und gleichzeitig mit einem anderen Körper in Verbindung zu treten. Die Achse ist dabei der Schlüssel: zu Stabilität, Leichtigkeit und echtem Miteinander.
Ob Du gerade Deine ersten Schritte machst oder schon lange tanzt – die bewusste Arbeit an Deinen drei Körperachsen wird Dein Tanzerlebnis auf ein neues Level bringen. Und wer weiß: Vielleicht bringen sie Dich nicht nur besser ins Gleichgewicht, sondern auch ein Stück näher zu Dir selbst.

